2012 WhyPlayJazz (RS007), CD + MP3 Album Download
Philipp Gropper (ts, comp), Andreas Lang (b), Oliver Steidle (dr), Håvard Wiik (p)
All compositions by Philipp Gropper. Recorded by Marco Birkner on October 27th 2011 at Studio P4, Berlin. Mixed and mastered by Marco Birkner June 2012 at Studio P1, Berlin.
Neben dem weltweit tourenden Trio „Hyperactive Kid“ und der orchestral und elektronisch gedachten Band „Gropper/Zoubek/Eldh/Schröteler“ ist PHILIPP GROPPER’S PHILM das dritte höchst niveau- und seelenvolle Projekt des „begnadeten Berliner Saxophonisten“ (David Friedman). Mit LICHT legt Gropper erstmals ein Album unter eigenem Namen vor.
Auf dem sehr intensiven Album ist eine ausgeprägte Vorliebe für sonderbare, überraschende Kompositionen und Bilder zu erkennen. Die 6 Stücke geben Einblick in die ganz eigene musikalische Welt des Komponisten und Improvisators.
Licht: „Ein Lichtstrahl, der einen Raum durchschneidet, aus verschiedenen Perspektiven betrachtet, aus der Nähe und der Distanz, mit ihm reisend oder an einer Stelle verweilend.“
Robot: „Vor Augen die merkwürdigen und einem ganz eigenen Puls folgenden Bewegungen eines Roboters.“
Club 49: „Ist einer kleinen Bar in Kreuzberg gewidmet. Sobald man eintritt ist man verloren.“
Rudi Mahall bemerkt: „Die [...] Stücke, [...] von Gropper alle selbst zusammenkomponiert, erzählen jedes für sich eine ganz eigene Geschichte, selbstredend streng abstrakt.”
Über seinen Umgang mit der klassischen Quartett-Formation sagt Philipp Gropper: „Je länger ich Musik mache, desto wichtiger ist mir und desto klarer nehme ich wahr, was Musik, was eine Band transportiert, welche Botschaft von Ihr ausgeht. Diese durch die transzendierende Qualität von Musik erfahrbare Essenz ist, worum es mir geht und sie ist absolut unabhängig von Stilistik oder Besetzung. Reine Virtuosität, intellektuelle Höhenflüge und die Weichgespültheit unserer Zeit langweilen mich – es geht mir um Direktheit und Mystik. Ich bin der Tradition sehr verbunden, versuche aber ständig deren Lebendigkeit und Frische, die jeweils nur im zeitlichen Kontext entstehen konnte und den alten Meistern gleichzeitig ihre Zeitlosigkeit sicherte, zu verstehen und weiterzutragen.“
Rudi Mahal schreibt bestätigend, es handele sich „um den ganz offensichtlich geglücktesten Kreuzungsversuch aus zahlreichen Vorbildern und Idolen - als Endresultat dieses Experiments: ein umwerfend unverkennbar ‘eigenständiger’ (= sofort von seinen Kollegen unterscheidbarer) Gropper.“
Seit mehr als einem Jahrzehnt sammelt Gropper inzwischen Erfahrungen auf den kleinen und großen Bühnen der Welt. Ob mit eigenen Projekten oder als Sideman, die Liste seiner musikalischen Kooperationen spricht für sich: Ralph Towner, Manfred Schoof, Günter „Baby“ Sommer, Mathias Schriefl, Eric Schaefer, Robert Landfermann, Tobias Delius, Tom Arthurs, James Knapp, Carsten Daerr, Wanja Slavin, Kalle Kalima, Peter Herbolzheimer, Kresten Osgood, Rudi Mahall, John Schröder, Maria Joao, Pablo Held, Olaf Rupp, Pierre Borel, Daniel Glatzl u.v.a.
Nicht zuletzt aber sind es die drei Mitmusiker, der Norweger Håvard Wiik (Atomic, Motiv, Ken Vandermark) am Piano, Bassist Andreas Lang (Andromeda mega Express Orchestra, Gunter Hampel) aus Dänemark und Oliver Steidle (Der Rote Bereich, Peter Brötzmann), die PHILM so überzeugend klingen lassen. Die Band scheint zusammen zu atmen. Alle lassen sich Raum und haben ein außergewöhnliches Gespür für Energie und Spielfluss. Gemeinsam setzen Sie die mit den Kompositionen begonnenen Geschichten fort.
Das Album in seiner poetischen Vielschichtigkeit verweigert sich einer voreiligen musikalischen Einordnung, spricht vielmehr differenziert über autokatalytische Zusammenhänge von Bewusstsein und Kommunikation.
Für den Hörer ist Komposition von Improvisation nicht immer zu unterscheiden. Die verschachtelten und kraftvollen Titel leben durch herbe Kontextwechsel, bleiben in ihrer Schönheit unvorhersehbar und voller Spannung. Musikalische Bilder alternieren im Jump Cut. Der Wert dieser Musik ist unermesslich.
The music presents a set of passionate statements, beautifully crafted by their composer and wonderfully executed by the quartet, which combines four individual talents into a fresh amalgam, where the total is greater than the sum of its parts. Since I'm already familiar with Gropper, Lang and Steidle from other recordings, it is Wilk who is the nicest surprise of this album, playing some superbly imaginative lines and proving to be pianist definitely worth following in the future. Lang plays his usual wonderful bass staccatos and keeps the rhythm section as an integral part of the collective improvisation. Steidle, who is another veteran on the German scene and has a fine reputation as a highly imaginative and gifted drummer justifies his standing in full.
Although most of the music is improvised, it has a strong melodic ingredient, sometimes clearly noticeable but most of the time only present subconsciously. This music has a clearly defined direction and a sense of purpose, which many Free Jazz / Improvised Music recordings simply lack completely. To be completely free and unrestrained within specified harmonic and melodic boundaries is a much more sophisticated form of expression than complete tonal anarchy, something free improvisers tend to forget.
Overall this is an excellent debut group effort and I'm looking forward to hearing more from where this music came from, hopefully soon!
Gropper inszeniert seine Musik wie einen spannenden Spielfilm, dessen Drehbuch unterschiedliche Erzählstränge zu einer schlüssigen Dramaturgie verbindet, die manchmal allerdings etwas überladen wirkt. Immer wieder verdichtet sich die Handlung und ein Akteur nach dem anderen übernimmt die Führung. Oft verändert sich die Szenerie schlagartig. Dann steigt die Spannung, die Atmosphäre nimmt an Intensität zu und das Tempo gewinnt an Fahrt. Wenig später kann die Musik wieder in gemächlicheres Fahrwasser einmünden und die Stimmung ins Beschauliche umschlagen. Philipp Gropper zieht alle Register. [...] Der Berliner spielt ein robustes Saxofon mit angerautem Ton, das sich ausdrucksstark durch die komplexen Strukturen schlängelt. Am Schlagzeug erweist sich Oliver Steidle als virtuoser Dynamiker, der selbst die kompliziertesten Rhythmen und vertracktesten Taktwechsel souverän ins Szene setzt. Der erst 24jährige Pianist Elias Stemeseder lässt dazu seine Finger über die Tasten tanzen, wobei deutlich wird, warum der junge Österreicher bereits vom amerikanischen Stardrummer Jim Black engagiert worden ist. Für ein sicheres Fundament sorgt Kontrabassist Andreas Lang. Sein vitales Spiel verleiht der Musik Druck und Drive.
Somehow, and this is the magic of Licht, Philipp Gropper’s Philm has found a way to reference the improvisational genius of Monk, without forgetting the sense of adventure that always powered his best work. Along the way, they’ve made his ambitions – not just his sound – their own.
Irgendwie kommt dieses Debütalbum überraschend. Denn der Saxophonist Philipp Gropper ist schon für eine so lange Zeit intensiv auf der Szene (zum Beispiel im Trio Hyperactive Kid) präsent, dass man vermuten könnte, er hätte bereits längst seine jazzmusikalische Visitenkarte abgegeben. Doch weit gefehlt. Erst jetzt, im September 2012, hat der 1987 in Berlin geborene Musiker seine erste CD als Leader, „Licht“, veröffentlicht, die er mit seinem skandinavisch-deutschen Quartett mit dem schrulligen Namen Philm aufgenommen hat. Darauf legen die vier Musiker – neben Gropper sind auch noch der dänische Bassist Andreas Lang, der norwegische Pianist Håvard Wiik und der Berliner Schlagzeuger Oliver Steidle zu hören – eine unter die Haut gehende, prickelnd emotionale Improvisationsmusik vor, die ihre Wurzeln in der europäischen Musikkultur nicht verleugnen möchte, dennoch stets auch rüber in die USA linst. „Je länger ich Musik mache, desto wichtiger ist mir und desto klarer nehme ich wahr, was Musik, was eine Band transportiert, welche Botschaft von Ihr ausgeht“ erklärt der Saxophonist. Doch in Groppers mitreißendem Modern Jazz werden die Botschaften nicht in eine fixierte Sprache übersetzt. Die Geschichten, die dieser Vierer so eloquent zu erzählen weiß, scheinen als akustische Bilder in einem Storyboard flüchtig skizziert zu sein: fragmentarisch, disparat und heterogen. Daraus entwickelt sich im Zusammenspiel des Quartetts ad hoc eine moderne Jazzmusik, die gleichermaßen Geschichtsbewusstsein transportiert wie Wege in die Moderne zeigt, die hochemotional, reif und gehaltvoll ist. Das die vier Musiker virtuos auftrumpfende Instrumentalisten sind, das versteht sich von selbst. Vor allem jedoch besitzt Gropper auf dem Tenorsaxophon einen so ursprünglichen, so archaischen und dringlichen „Cry“, der direkt, ohne Umweg und Übersetzungshilfe, die Seele berührt.
Wer facettenreichen Jazz mit Ecken und Kanten mag, der ist hier richtig.
[...] Weder inflationiert er sich noch will er sich vordergründig anbiedern. Die Jazzgeschichte hat er verinnerlicht, immer wieder funkeln Spurenelemente seiner Altvorderen durch seine unvorhersehbaren Improvisationslinien. Doch das ist das Verblüffendste an diesem Quartettalbum mit Pianist Håvard Wiik, Bassist Andreas Lang und Schlagzeuger Oliver Steidle, wie abgeklärt und doch spontan, wie eigenständig und in sich logisch die sechs vertrackten Stücke des Bandleaders daherkommen.
Aber in der Hauptsache geht es hier um die Sophistication eines Musikers, dessen cool gedämpfter, reflektierter Ton sich tatsächlich am besten in Lichtmetaphern fassen ließe - schimmernd, flackernd, schummrig, durchscheinend, leuchtend. Für keines der Stücke genügt ihm ein simples ABC oder breitgetretener Solo-Tutti-Quark.
Philm vollführen einen Wechsel zwischen Licht und Schatten, Klaustrophobie und gesprengter Weite. Urheber und Kopf des Ganzen ist der Tenorsaxophonist Philipp Gropper, der hiermit seine erste Veröffentlichung unter eigenem Namen vorlegt.
Groppers markanter Stil, der vielen Hörern durch das Trio Hyperactive Kid vertraut sein dürfte, findet in Philm seine Fortsetzung. Der Sound ist eine Schnittmenge aus vertrauten Jazzidolen und eigenem Vokabular. Dabei ist es ihm gelungen, abseits von akademisch gepflegten Klang und dumpfen oder kreischenden „Free-Jazz-Einerlei“, eine wiedererkennbare Eigenständigkeit zu entwickeln.
Die erwählten Mitstreiter sind eine spannende Ergänzung und Erweiterung im Treibhaus der Klänge.
Das virtuose, kraftvolle, oft maßvolle Spiel des Bassisten Andreas Lang begleitet fundamental und aufmerksam. Oliver Steidle bildet am Schlagzeug oftmals die Einheit mit Andreas Lang, ist aber durchaus in der Lage sich freizuschwimmen. Ob zarte Tupfer oder kantiges Trommelfeuer – Steidles Stil ist kraftvoll, grob aber zugleich niveauvoll. Beide grooven mit viel „Bauch“ oder zerlegen mühsam Erspieltes.
Håvard Wiik am Piano vollzieht entweder den berauschenden Kontrapunkt oder die erforderliche Einordnung in den Bandsound. Wiik schöpft sehr stark aus der gesamten Jazztradition. Sehr geschmeidig und eloquent tritt sein Spiel hervor, kann jedoch im Verlauf rätselhaft, frei und angenehm brüchig werden.
Das Quartett ist wach und reaktionsschnell. Für den Hörer ist Komposition von Improvisation nicht immer zu unterscheiden. Die insgesamt sehr verschachtelten und lebendigen Titel, entwickeln herbe Kontextwechsel, gebären Schönes, sind überraschend und innovativ.